VuK
19. Juni 2025 | Ben Kaden

Ein Legal Help Desk für Open Research Berlin. Eindrücke vom Auftaktworkshop am 17. Juni 2025

  1. Fragt man, welche Hürden der Transformation zu Open Access, Open Research und Open Science besonders im Weg stehen, dann lautet eine der häufigsten Antworten: Es sind die rechtlichen Unsicherheiten. Oft möchte man gern, weiß aber nicht, ob man darf. Oder man fragt sich, zum Beispiel, wie der § 38 UrhG Abs. 4 eigentlich auszulegen ist? Oder welche Implikationen sich aus den Creative-Commons-Lizenzen ergeben? Und ob, ziemlich aktuell, man bei Creative-Commons-Lizenzen eine Nutzung für Sprachmodelle für Künstliche-Intelligenz-Anwendungen ausschließen kann?
  2.  
  3. Die erfahrungsgemäß oft ernüchternde Einsicht hinsichtlich der Unsicherheit lautet: Man wird mit ihr leben müssen. Für viele Rechtsfragen des Open-Access-Publizierens lässt sich schlicht keine Eindeutigkeit herstellen. Die gute Nachricht: Es lassen sich dennoch an zahlreichen Stellen praxistaugliche Auslegungs- und Anwendungshinweise geben. Ein gutes Beispiel ist der unlängst erschienene Kommentar zur Creative Commons Public License (CCPL) von Franziska Boehm, Ellen Euler, Paul Klimpel, Fabian Rack und John Weitzmann.Eine weitere Form der rechtlichen Orientierung sind sogenannte „Legal Helpdesks“, wie ihn zum Handlungsfeld Open Access beispielsweise die Landesinitiative openaccess.nrw anbietet.Ein ähnliches, zugleich etwas anderes ausgerichtetes Angebot entsteht nun mit Mitteln der Volkswagen-Stiftung im Umfeld des Open Research Office Berlin (OROB, ehemals Open Access Büro Berlin) zusammen mit der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin als Projektpartnerin. Zu den Hintergründen und durchaus auch mit dem Anliegen, einschlägiges Feedback von Expert*innen aus der Open-Research-Praxis zusammenzutragen, fand am 17. Juni 2025 an der Freien Universität Berlin ein Auftaktworkshop statt. Die Veranstaltung war außerordentlich gut besucht und brachte Vertreter*innen aus diversen, vorwiegend Berliner Einrichtungen buchstäblich an einen Tisch. Die erste Einsicht ist, dass in Berlin eine sehr lebendige, interessierte und kollegiale Community of Practice existiert, was schon einmal eine Flanke der Transformation und ihrer Begleitung absichert.

    Vorstellung des Legal Helpdesk Berlin

    Im Mittelpunkt der ersten Workshophälfte stand die Vorstellung des durchaus ambitionierten Legal-Helpdesk-Projekts an sich. Der Helpdesk wird nicht nur als Berliner Anlaufstelle für rechtliche Fragen rund um Open Access und Open Research dienen, sondern auch durch Workshops (der nächste folgt Ende Juli und wird Rechtsfragen zum digitalen und offenen Kulturerbe aufgreifen) sowie die Er- und Bereitstellung von Materialien wie Videos und Texten wirken. Die Veröffentlichung der Materialien ist über iRights.info geplant. Der iRights e.V. ist Kooperationspartner des Projekts. Als weitere Partnereinrichtung ist das NFDI4Culture eingebunden, das bereits einschlägige Helpdesk-Erfahrung mitbringt. 

    Strategische Interessenvertretung

    Ein besonderes weiteres Merkmal des Projekts ist die Rolle als „strategische Interessenvertretung“ für eine Open-Research-freundliche Rechtspolitik. So heißt es im Antrag, es 

„soll eine langfristige juristische Interessensvertretung strategisch initiiert werden, die sich positiv auf ein wissenschaftsfreundliches Urheber- und Datenschutzrecht für Open Research auswirkt und damit der starken Interessensvertretung der digitalen Medienindustrie durch Verlage, Verwertungsfirmen und Plattformen entgegentritt.“ (Georg Fischer, Maxi Kindling, Maike Neufend, 2025: Recht offen. Juristische Kompetenzen in und für die Offene Wissenschaft stärken. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.15297028. S. 5)

 

Zielgruppen, Vernetzung, Rechtsgebiete

Der Legal Helpdesk richtet sich primär an Forschende an Wissenschafts- und Kulturerbe-Einrichtungen im Land Berlin. Für Kulturerbe-Einrichtungen existiert beim Forschungs- und Kompetenzzentrum Digitalisierung Berlin (digiS) bereits eine Anlaufstelle für Rechtsfragen, was vermutlich zu einer engen Kooperation führen wird.

Hinsichtlich der zu erwartenden Anfragen gehen die Anbietenden des kommenden Legal Helpdesks nach dem aktuellen Stand von einem überproportionalen Schwerpunkt auf urheberrechtlichen Fragen im engeren und weiteren Sinne aus. Zu beachten ist dabei, dass erfahrungsgemäß nicht alle urheberrechtlichen Fragen in der Wissenschaft auch in den Kontext von Open Access, Open Research oder Open Science fallen. Hier ist folglich eine Profilierung des Programms ebenso notwendig wie die Entwicklung einer Kommunikations- und Weiterleitungsstrategie für entsprechende Anfragen außerhalb des Openness-Fokus. Doreen Rocholl vom Helpdesk der Open-Access-Landesinitiative in Nordrhein-Westfalen konnte dazu einige Erfahrungswerte beisteuern. 

Eine weitere interessante Frage und juristische Herausforderung ist die der internationalen Perspektive. Dass das deutsche Rechtssystem der Ausgangspunkt ist und auch Europäisches Recht eine Rolle spielen wird, ist offensichtlich. Da aber Wissenschaft und Wissenschaftsnachnutzungen gerade bei Open Research bewusst international ausgerichtet sind, sind sicher auch Fragen aus anderen nationalen und internationalen Rechtskontexten zu erwarten.

Neben dem Urheberrecht wird der Helpdesk auch Aspekte und Fragen aus dem Datenschutzrecht, dem Haushaltsrecht, dem Arbeitsrecht und sicher auch punktuell anderen Rechtsgebieten in den Blick nehmen müssen. Welche Fragestellungen sich diesbezüglich manifestieren, ist allerdings derzeit noch unklar. Die sehr angeregte Diskussion zu den denkbaren Themen zirkelte nämlich sofort wieder auf die üblichen und komplizierten Fragen. Diese reichten von der Schutzfähigkeit von Forschungsdaten über Widersprüche in Verlagsverträgen bis hin zur Spannung zwischen Anforderungen der Guten Wissenschaftlichen Praxis und den Nutzungsgrenzen und -regeln, die das deutsche Urheberrechtsgesetz festschreibt. Besonders das Zweitveröffentlichungsrecht und die institutionelle Mandatierung desselben sind in Berlin ein großes Thema. Das Stichwort „Rights Retention“ fiel häufig, während § 38 UrhG als „praktisch kaum nutzbar“ eingeschätzt wurde.

Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen

In der zweiten Hälfte des Workshops berichtete Doreen Rocholl von den Erfahrungen mit dem Legal Helpdesk der Landesinitiative in NRW. Eine interessante Beobachtung war, dass sich die Fragestellungen der anwesenden Open-Access- und Open-Research-Professionals nicht unbedingt mit den Fragen von Forschenden decken. Beispiele aus der Praxis waren etwa Fragen zum Aufsetzen von Publikationsverträgen bei OJS-Zeitschriften, zur Lizenzierung und Haftung bei Open-Access-Publikationen von Forschungsinstrumenten oder zum rechtlichen Status des Bereitstellens von Publikationen auf Plattformen wie ResearchGate. 

In der Diskussion wurde noch eine weitere relevante Zielgruppe für die Vermittlung und Vernetzung im Bereich des Open-Research-bezogenen Wissenschaftsrechts gesehen, nämlich die der in den jeweiligen Institutionen tätigen Jurist*innen. Viele Fragen für einen solchen Helpdesk laufen zunächst bei diesen auf und werden teils direkt beantwortet. Hier eine kollaborative Perspektive zu finden, die dem Wunsch des Angebots, offene Wissenschaft so rechtskonform wie nötig zu ermöglichen, könnte eine dankbare Aufgabe auch für den Berliner Helpdesk werden. 

Dieser wird ab Anfang 2026 bereitstehen und gemäß der Projektfinanzierung voraussichtlich bis Mitte 2028 laufen. Ob er auch für Fragen aus Brandenburg offen sein wird, hängt laut Auskunft der Betreibenden vom generellen Aufkommen der Anfragen ab. Da wir als Landesinitiative für Brandenburg mit den Berliner Kolleg*innen ohnehin im engen Austausch sind, werden wir entsprechende Möglichkeiten ausloten. Die aus dem Helpdesk entstehenden Materialien sind auf jeden Fall, ganz im Sinne maximal offener Wissenschaft, auch jenseits von Berlin frei zugänglich.

Ben Kaden